Verhaltenskodex

Jeder Mensch hat das Recht auf gewaltfreie Entwicklung ohne körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere herabsetzende und entwürdigende Maßnahmen. Jeder Mensch hat das Recht auf eine gewaltfreie Ausübung seines Berufes und die Wertschätzung anderer. Was als verletzend und grenzüberschreitend empfunden wird, ist dabei situations- und persönlichkeitsabhängig.

Den Schülerinnen und Schülern der Freien Waldorfschule Leipzig wollen wir während ihrer Lern- und Entwicklungszeit in einem geschützten Rahmen einen fördernden und gleichwohl fordernden Raum bieten.
Den Mitarbeitern der Freien Waldorfschule Leipzig wollen wir einen geschützten und gesunden Raum bieten, ihren professionellen Auftrag auszufüllen.
Den Eltern der Freien Waldorfschule Leipzig wollen wir einen zuverlässigen, wertschätzenden Raum und sicheren Ort für die uns anvertrauten Kinder anbieten.

Grundsatz:

Der Verhaltenskodex stellt eine wichtige Orientierung dar, zur Förderung einer Kultur der Gewaltfreiheit. Er beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit dem Verhalten im pädagogischen Alltag. Es kommt darauf an Bewusstsein dafür zu entwickeln, wo Grenzen überschritten werden.
Bei allen pädagogischen Maßnahmen wollen wir die Unverletzlichkeit der Würde der gesamten Schulgemeinschaft beachten. Wir legen großen Wert auf einen guten und gesunden Umgang miteinander und dessen Verbesserung.
Wir sprechen uns gegen jegliche Form von Gewalt aus: Psychische Gewalt, physische Gewalt, verbale Gewalt, sexualisierte Gewalt und alle Formen von sozialer Gewalt (Mobbing, Stalking, Diskriminierung und Gewaltausübung aufgrund von ethnischer und / oder Religionszugehörigkeit, Hautfarbe, Nationalität, sexueller Neigung).Um dies zu erreichen, wollen wir Folgendes berücksichtigen:

Bereich Kommunikation

Überall, wo wir auf andere Menschen treffen, findet Kommunikation statt, bewusst, unbewusst und oft auch intuitiv. Wie wir kommunizieren, hat Wirkungen. Wir können viel erreichen – aber auch viel kaputtmachen. Kommunikation ist anfällig für Störungen. Kommunikation kann zu Kränkungen führen. Kommunikation ist anfällig für Machtausübung. Sich so zu verständigen, dass ein Gespräch für alle Beteiligten entwicklungsfördernd wirkt, wollen wir an unserer Schule veranlagen, üben und lernen. Alle Mitglieder unserer Schulgemeinschaft, pädagogisches und technisches Personal, Kinder und Jugendliche sowie Eltern begegnen sich respektvoll und wertschätzend.

Folgende Punkte sind uns wichtig:

• Wir schaffen Vereinbarungen über die von uns gewünschte Art der Kommunikation inklusive Evaluierung.
• Wir halten uns an Vereinbarungen.
• Die in den Konferenzen angefertigten Protokolle müssen lesbar und jedem zugängig gemacht werden. Über die Notwendigkeit einer Digitalisierung entscheidet die jeweilige Konferenz. Die Protokolle müssen freigeben werden.
• Der Umgang der Mitarbeitenden untereinander, insbesondere vor den Schülerinnen und Schülern, ist von gegenseitiger Achtung und Respekt geprägt.
• Wertschätzendes Verhalten und konstruktive Rückmeldungen sind Basis unserer Kommunikation. Impulse anderer werden wertgeschätzt, aufgegriffen und ggf. integriert.
• Wir bemühen uns, eine gute Beschwerdekultur zu etablieren.
• Urteilen: wir beachten respektvoll die individuelle Persönlichkeit und Lebenssituation des Einzelnen, ohne zu urteilen.
• Aktives Zuhören und das Stellen offener Fragen ist ein wichtiger Teil des Gespräches. Wir berücksichtigen die Wirkung nonverbaler Kommunikation.
• Wir achten auf klare und transparente Informationen.
• Wir wollen eine Feedbackkultur etablieren. D.h.

1. Offizielle und regelmäßige Möglichkeiten schaffen zum Erlernen von Selbstreflexion ohne Bloßstellungen und persönliche Schuldzuweisungen,
2. Selbstwahrnehmende und kritische Auseinandersetzung über Techniken des kommunikativ- manipulativen Framings (beeinflussendes Bewerten im Sprechen) und seiner Vermeidung ermöglichen,
3. die Grundhaltung einer positiven Fehlerkultur ausformulieren, die Reflexion und Intuition stärkt und Veränderung bewirkt,
4. Fortbildungen in Kommunikations- und Streitkultur gilt als verpflichtender Arbeitsauftrag für alle Mitarbeitenden,
5. die Vermittlung und Förderung einer positiven Kommunikations- und Streitkultur sowie die Sensibilisierung für diskriminierende Äußerungen für Kinder und Jugendliche wird verbindlich eingeführt.

Im Umgang mit Kindern und Jugendlichen gilt im Besonderen:

• Die Mitarbeitenden hören Kindern und Jugendlichen zu und nehmen ihre Belange und Nöte ernst.
• Bei Rückmeldungen zum Lernen wird auf Transparenz geachtet und das Erreichte benannt. Auf dieser Basis werden neue Lernschritte und förderliche Unterstützung besprochen.
• Bei Rückmeldungen zum Verhalten werden bereits gelingende Verhaltensweisen benannt. Schritte zur guten Weiterentwicklung werden vereinbart. Die dauerhafte Zugehörigkeit aller zur Gemeinschaft wird gestärkt.
• In Zeugnissen werden die Rückmeldungen zum Lernen und Verhalten unter den genannten Gesichtspunkten schriftlich fixiert. Entwicklungsgespräche werden möglichst zur Mitte des Schuljahres durchgeführt.
• Kinder und Jugendliche werden zu Selbstachtung und Anerkennung der Anderen angeleitet.

Findet ein Verhalten wider der oben genannten Gesichtspunkten statt, sollte ein Gespräch mit der betreffenden Person angestrebt werden. Der Vertrauenskreis kann jederzeit dafür hinzugezogen werden.

Bereich „Körperliche Nähe“

Um dem Schutz von Kindern und Jugendlichen sicher zu stellen, benötigen die Mitarbeiter*innen ein Bewusstsein für die eigene Selbstwirksamkeit und ihre Grenzen, aber auch Bedürfnisse des anderen. Je nach Situation und Art des Körperkontakts kann schon eine Umarmung eine sexuelle Grenzverletzung darstellen. Eine Tabuisierung von Berührungen im Alltag kann aber nicht pädagogisches Ziel sein. Körperkontakt entspricht dem Bedürfnis nach Nähe und Anerkennung. Immer wenn Menschen in Beziehung miteinander treten, wird Nähe aufgebaut und Distanz gehalten. Beides braucht ein Bewusstsein. Die Mitarbeiter*innen sind deshalb im Kontakt mit den Schüler*innen in hohem Maß gefordert, das eigene Verhalten auf die persönliche Bedürftigkeit hin ehrlich zu reflektieren. Die Bedürfnisse der Schüler*innen sind nach Nähe und Distanz sind je nach Alter, Persönlichkeit und Situation sehr unterschiedlich. Zum professionellen Handeln und zum verantwortlichen Umgang mit ihnen gehören ein feines Gespür (dafür) Grenzen zu entwickeln und Grenzen einzuhalten.

• Jede Form der körperlichen Gewaltanwendung ist den Mitarbeiter*innen untersagt.
• Körperliche Berührungen der Intimzone oder ähnlicher unangemessene Kontakte sind den Mitarbeiter*innen verboten.
• Die Mitarbeiter*innen respektieren/wahren immer die Intimsphäre der Schüler*innen, insbesondere in Toiletten, Umkleiden und Duschen.
• Die Mitarbeiter*innen duschen bei Schwimm- oder Sportveranstaltungen in zeitlicher bzw. räumlicher Distanz zu den Schülern.
• Befindet sich eine mitarbeitende Person allein mit einem oder mehreren Schüler*innen im Raum, darf dieser niemals von innen abgeschlossen werden.
• Nur bei unmittelbarer Gefahr für Schüler*innen, Mitarbeitende oder dritte Personen ist angemessenes körperliches Eingreifen kurzfristig zulässig.
• Sollte ein Schüler/Schülerin ein nicht alters- und entwicklungsgemäßes Bedürfnis zu engem Körperkontakt suchen und benötigen, ist dies im Team und mit den Eltern zu kommunizieren.
• Schüler*innen, die bewusst körperliches „Blockadeverhalten“ zeigen (Wege blockieren und trotz Aufforderung nicht aus dem Weg gehen bzw. Räume nicht verlassen), muss zunächst eine deutliche verbale Anweisung gegeben werden. Erst dann darf, nach Ankündigung, die Schüler*in in angemessener Weise aus dem Weg oder dem Raum geschoben bzw. auf andere Art hinausgebracht werden.
• Der Umgang mit ruhenden und schlafenden Kindern und Jugendlichen (Klassenfahrten, Ausflug, Unterricht etc.) erfordert eine besonders sensible und achtsame Vorgehensweise. Müssen Kinder und Jugendliche geweckt werden, soll das möglichst verbal geschehen.
• Wenn Kleidung z.B. aufgrund von Nässe gewechselt werden muss, tun die Kinder und Jugendlichen dies nach Möglichkeit selbstständig. Wenn Hilfe erbeten wird oder nötig ist (bei kleinen Kindern, Jugendlichen nach Unfall, Kinder und Jugendliche mit Handicap) wird Hilfe achtsam und respektvoll gegeben.

Verbindliche Regelungen für Klassenfahrten, Ausflüge etc.

• Bei Klassenfahrten ist idealerweise mindestens eine weibliche und eine männliche Begleitperson dabei.
• Alle Begleitpersonen (z. B. Eltern etc.) erkennen durch ihre Unterschrift den „code of conduct“ an.
• Jungen und Mädchen übernachten in der Regel in getrennten Räumen. Begleitpersonen übernachten möglichst nicht mit Kindern und Jugendlichen im gleichen Raum. Ausnahme bilden Gruppenunterkünfte. Die Unterbringung obliegt auch dem Ermessen der Begleitpersonen und richtet sich nach den rechtlichen Vorgaben der Verwaltungsvorschrift des Landesministeriums.
• Es müssen stets die kulturellen und gender-spezifischen Interessen beachtet und gewahrt werden.
• Wenn es notwendig wird, dass Begleitpersonen die Räume von Kindern und Jugendlichen betreten, klopfen sie vorher an und machen deutlich, dass sie den Raum betreten werden.

Weitere Regeln für einen professionellen Umgang

• Die Mitarbeitenden kommen der Aufsichtspflicht auf dem gesamten Schulgelände nach, auch für Zeiten und Gebiete, für die sie nicht eingeteilt sind.
• Die Mitarbeitenden beachten die Wirkung ihres äußeren Erscheinungsbildes auf die Schülerinnen und Schüler. Sie kleiden sich angemessen und tragen keine freizügige Kleidung.
• Es wird darauf geachtet, keine einzelnen Kinder und Jugendliche zu bevorzugen oder zu benachteiligen.
• Nutzung Sozialer Medien: Kommunikation über schulische Belange sollte von der Lehrperson sehr verantwortungsbewusst eingesetzt werden. Private Kommunikation mit den Schülerinnen und Schülern sind nicht zulässig.
•Die Schülerinnen und Schüler dürfen nicht mit privaten Sorgen und Problemen belastet werden.
• Die Mitarbeitenden lassen sich in Situationen, die zu Irritationen führen können, nicht fotografieren oder filmen, selbst wenn sie auch nur gestellt sind.

Bei Kenntnisnahme von Überschreitungen der genannten Richtlinien, bei Unsicherheiten in Bezug auf dieselben oder bei Beschwerden soll die Schutzstelle kontaktiert werden.

Selbstverpflichtung

Die Mitarbeitenden der Freien Waldorfschule Leipzig verpflichten sich, nach dem Prinzip einer gewaltfreien Pädagogik im schulischen Handlungsraum zu arbeiten. Dies setzt vor allem eine gute Beziehungsarbeit voraus und die Würdigung der erarbeiteten Schwerpunkte.
Diese wirkt im Wesentlichen durch eine gelebte und vorgelebte Vermittlung von Werten wie Achtung, Beachtung, Achtsamkeit, Respekt und Pflichtgefühl für die Schulgemeinschaft.

Die Gewaltprävention ist eine Aufgabe der ganzen Schulgemeinschaft.

Jede Person hat an ihrer Stelle die Verantwortung für den Schutz aller Betroffener. Es wird ein gesunder und reflektierter Umgang mit eigenem Verhalten und eventuellen Grenzverletzungen gegenüber Kollegen- Schülern- Eltern erwartet.
Darüber hinaus ist es notwendig, dass sich Einzelne aktiv um die Umsetzung der Richtlinien kümmern und im Bedarfsfall intervenieren.

Dies geschieht im Rahmen einer gewählten Schutzstelle.